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Auf Erden sind wir kurz grandios

Auf Erden sind wir kurz grandios

Ocean Vuong wurde 1988 in Saigon, Vietnam, geboren und zog im Alter von zwei Jahren in die USA, wo er heute lebt. Für seine Lyrik wurde er mehrfach ausgezeichnet und auch sein erster Roman wird gefeiert. Auf Erden sind wir kurz grandios (aus dem Englischen übersetzt von Anne-Kristin Mittag) ist eine dramatische Coming-of-Age Geschichte, durchzogen von familiären Traumata, und ein Brief an die Mutter des mittlerweile erwachsenen Erzählers.

Der Erzähler, den Mutter und Oma ihr Leben lang liebevoll „Little Dog“ nennen, während sie selbst nach Blumen benannt sind, wächst mit den beiden Frauen auf, die vor dem Krieg und seinen Folgen in Vietnam in die USA geflohen sind und zumindest zu Beginn noch an den amerikanischen Traum glauben. Hoch poetisch fließt der Roman dahin, kombiniert punktuelle Rückblicke in das Leben der Großmutter mit Little Dogs Kindheit und Jugend. Doch die Sanftheit der Sprache überdeckt nicht das Ausmaß an Brutalität, das die Leben der Charaktere prägt.

Little Dog erinnert sich an die Geschichten, die seine Oma ihm erzählte, wie sie ihre Familie und eine schlechte Ehe hinter sich lässt, sich selbst einen neuen Namen gibt, sich prostituiert und im Krieg eine Beziehung mit einem US-amerikanischen Soldaten eingeht, der später wieder in Little Dogs Leben in den USA als „Großvater“ auftaucht. Rose, seine Mutter, wird Little Dogs Brief nie lesen können, denn sie ist Analphabetin. Sie arbeitet sich kaputt im Nagelstudio, kämpft mit der neuen Sprache und lässt ihre regelmäßigen Wutanfälle, die durch vergangene Traumata und die schwierigen Lebensbedingungen in den USA hervorgerufen werden, gewaltsam an ihrem Sohn aus. Auch wenn der rückblickende Erzählstil oft kühl und behutsam wirkt, ist die Präzision mit der der Erzähler sein Verständnis von Gewalt wiederholt als Zuneigung reflektiert unfassbar bewegend.

Gewalt zeichnet auch die Beziehung des Erzählers zu seinem white trash Freund Trevor aus, den er als Jugendlicher bei einem Sommerferienjob auf einer Tabak-Plantage kennenlernt. In der sexuellen Unterwerfung erkennt er jetzt eine weitere Qualität in der Gewalt. In dieser Hinsicht vermittelt das Buch ein nuanciertes und überaus ambivalentes Bild von Gewalt.

Beeindruckt haben mich beim Lesen die Beobachtungen des Erzählers zu gesellschaftlichen Positionen – welches Privileg der weiße Trevor ihm gegenüber hat, obwohl er verarmt in einem Trailer lebt und später in eine Drogensucht abrutscht; wie weit sich der Erzähler, der letztendlich in New York Literatur studiert, von der Lebensrealität seiner analphabetischen Mutter entfernt; wie er Scham auf den Grund geht. Das Buch in Briefform an die Mutter ist eine sorgfältige, sprachlich wunderschöne und erschreckend brutale Selbstreflexion eines homosexuellen Einwanderinnenkindes. Dieser Rückblick selbst zeigt Verbundenheit und Abgrenzung und auf diese Weise einen gewissen Widerstand gegen einschränkende gesellschaftliche Strukturen.

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