The story of us
Hanna Ali ist Lehrbeauftragte und Doktorandin an der SOAS (School of Oriental and African Studies) in London. Sie arbeitet außerdem als Festivaldirektorin der somalischen Woche, eines zehntägigen Londoner Festivals, das Teil des Black History Month ist. Sie wurde in Mogadischu, Somalia, geboren, musste jedoch im Alter von fünf Jahren nach Schweden fliehen. Zehn Jahre später zog sie nach Großbritannien. Ihre Kurzgeschichtensammlung The Story of Us (Die Geschichte von uns) wurde 2017 bei marketfiftyfour veröffentlicht.
Die Sammlung besteht aus vier Kurzgeschichten: „Sharmarke“, „The Story of Us“, „Kind of Love“ und „Bloated“. Während die letzten drei eine Art Fortführung aufzeigen, tanzt die erste in gewisser Weise aus der Reihe. Sie ist nach dem Kind einer siebzehnjährigen Mutter benannt, die durch die Geburt erkennen muss, dass es ihr Schicksal ist, „ein atmendes Fahrzeug zu sein, das von einem Mann gelenkt wird, um mehr Männer auf die Welt zu bringen“. Gegen ihren Willen wurde sie mit einem doppelt so alten Mann verheiratet. Sie plant, dem Kind das Leben zu nehmen, um sich von ihrer Zwangsheirat zu befreien, sieht sich aber außerstande, ihren Plan durchzuziehen.
„The Story of Us“ bringt einen doppelten Perspektivwechsel mit sich: zu einer Ich-Erzählerin und zu einem klarer definierten Schauplatz in einer „Hampshire-Sackgasse“. Drei Generationen von Frauen leben im selben Haus, von dem die Mutter behauptet, es sei in „Soomaaliya“, selbst als die jüngste, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, ihre Flucht plant, indem sie zu ihrem Universitätsstudium weggeht. Die Großmutter verfällt in die Senilität doch ihr Humor bleibt unversehrt. Die Mutter versteht den Wunsch ihrer Tochter nicht, Literatur zu studieren und Schriftstellerin zu werden. Die Erzählerin stellt sich Gespräche vor, in denen die Mutter versucht, anderen ihr eigenes Unverständnis zu erklären: „Ich weiß nicht, was ich bei ihr falsch gemacht habe… Sie ist dick, will Schriftstellerin werden.“ Ali schlägt einen überzeugenden Weg ein, in der Art wie sie schwierige Familienbeziehungen beschreibt, die in einer Situation ambivalenter kultureller „Zugehörigkeit“ eingebettet sind, und sie dabei mit Humor durchzieht.
„Kind of Love“ scheint ein ähnliche Ich-Perspektive beizubehalten. Die Geschichte erzählt von einer Liebesaffäre mit Michael, einem kiffenden, weißen Pseudo-Philosophen mit rassistischen Eltern. Michael macht mit der Erzählerin Schluss, bevor sie ihm sagen kann, dass sie schwanger ist. Gegen Ende wird ein Arztbesuch, bei dem die Erzählerin von ihrer Schwangerschaft erfährt, verschiedenen Erinnerungen gegenübergestellt. Dazu gehört die Sorge über den abwesenden Vater der Erzählerin und die Beschreibung ihrer Flucht von Somalia über Kenia und Schweden bis nach Großbritannien.
Alis Erzählweise zeichnet sich durch gelungene Wortverbindungen aus. Sie hat eine besondere Art, zwei oder drei Wörter auf überraschende, aber bewegende Weise zusammenzustellen, und ein Händchen für erfrischende Metaphern. Ihre Geschichten erzählen vom europäischen Grenzregime, von der gefährlichen Reise durch die todeswütenden Wellen des Mittelmeers, von den Gründen, die Menschen dennoch zu dieser Reise zwingen könnten, und von dem ambivalenten Wunschziel nach Zugehörigkeit in dem ehemals als begehrenswert repräsentierten Europa.
(Alis Kurzgeschichten wurden bisher nicht auf Deutsch übersetzt)