Notes on her Colour
Vor einigen Jahren haben wir im Rahmen von poco.lit. die Green Library Veranstaltungsreihe durchgeführt. Bereits damals hatten wir die Gelegenheit, exklusive Einblicke in Jennifer Neals Roman Notes on her Colour zu erhalten. Nun ist er endlich erschienen. Die Veranstaltung hatte unsere Vorfreude und Erwartung geschürt – und sie wurden nicht enttäuscht!
Der Roman spielt in einer Kleinstadt in Florida und begleitet eine junge Schwarze indigene Frau, Gabrielle, in den letzten Monaten auf der High School und während eines Pause-Jahres, das ihr dominanter Vater ihr aufgezwungen hat. Dieses Jahr ist nicht für Reisen oder andere Abenteuer gedacht. Gabrielle soll zu Hause bleiben, wird von ihrem Vater gebremst und eingeengt, aber aufregend und überraschend aufreibend wird es dann trotzdem.
Während der Vater arbeitet, verbringt Gabrielle viel Zeit mit ihrer Mutter, die ihr beibringt, bewusst mit ihrem Erbe umzugehen: Die beiden haben die Fähigkeit ihre Hautfarbe zu wechseln. Der Farbwechsel wird durch Emotionen hervorgerufen, Konzentration und Übung helfen aber die Wechsel zu kontrollieren. Sie hüten ihr Geheimnis in ihrem komplett weiß getünchten Haus – das Werk des Vaters, der Schwarz ist und seine Hautfarbe nicht verändern kann, und der die Machtlosigkeit, die er außerhalb der Wohnung oft aufgrund von Rassismus erlebt, kompensiert, indem er zu Hause als Tyrann auftritt. Sein Umfeld gestaltet er also weiß und fordert sogar von seiner Frau und seiner Tochter, in seiner Anwesenheit zu einer hellen Hautfarbe zu wechseln. Er weiß nicht, welches Spektrum an regelrecht rebellischen Farben die beiden Frauen in seiner Abwesenheit ausprobieren und genießen. Wenn die Wechsel doch einmal in der Öffentlichkeit passieren, gehen sie häufig mit Code Switching einher, was Vorteile bringen kann, aber auch Gefahren birgt.
Gabrielle ist eine recht einsame Jugendliche. Über die Kunst knüpft sie Verbindungen zu anderen, die nicht immer nur Glück bringen. Vor allem das Klavierspielen, das ihr Vater ihr irgendwann verordnet, damit sie außerschulische Aktivitäten für ihre Unibewerbung vorweisen kann, nimmt immer mehr Raum in ihrem Leben ein. Während sie sich in die Musik vertieft und ihrer Lehrerin Dominique näher kommt, entfernt sie sich von ihrer Mutter, die sich ihrem Mann und ihrem Leben so machtlos ausgeliefert fühlt, dass sie daran zerbricht. Gabrielles gewohntes Leben gerät aus den Fugen.
Neal erschafft eine Welt der Extreme, in die Gabrielle sich einfügen muss. Und sie tut dies mit wachsendem Selbstbewusstsein, auch wenn sie Verluste verkraften muss. Magische Momente der Freude und Verbindung sind nie weit entfernt von Bosheit und Desaster. Viele Szenen dieses eindrücklichen Romans über Race, Familiendynamiken, seelische Gesundheit, Trauma und Queerness sind überraschend, aufregend lustvoll oder abgrundtief hässlich – sie brennen sich in die Erinnerung ein.