die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle
Sharon Dodua Otoos erste Novelle erschien 2012 mit dem Titel the things I am thinking while smiling politely bei edtion assemblage. Die deutsche Übersetzung von Mirjam Nuenning folgte im Jahr darauf. Dodua Otoo beschreibt sich selbst als Schwarze Britin, Mutter, Aktivistin, Autorin und Lektorin. Seit Jahren gehört sie zu den bekannten Gesichtern der aktivistischen Schwarzen Deutschen Community. Ihre zweite Novelle erschien 2014 und im Jahr 2016 erhielt sie den Ingeborg Bachmann Preis.
Die dinge, an die ich denke, während ich höflich lächle beschreibt den äußerst schmerzhaften Zerfall einer Ehe. Die Geschichte wird aus der Perspektive einer namenlosen Erzählerin erzählt, deren persönlicher Werdegang sie von London – dorthin wanderten ihre Eltern vor ihrer Geburt aus Ghana aus – nach Berlin geführt hat. Berlin ist der Schauplatz der Novelle. Für alle, die die Stadt kennen, ist es eine sehr greifbar gestaltete Stadtkulisse, mit Verweisen auf bestimmte Straßen und Parks in Kreuzberg und Hinweisen auf die für Zugezogene oft befremdliche Berliner Schnauze.
Die Erzählerin ist eine Schwarze Britin, die an einer Dissertation über Theaterstücke arbeitet; ihr Mann ist ein weißer Deutscher namens Till. Zusammen haben sie nicht eineiige Zwillinge, Beth und Ash, ein Mädchen und einen Jungen. Einer der vielleicht interessantesten Randaspekte der Novelle ist die Entwicklung dieser völlig unterschiedlichen, komplexen kleinen Menschen: Ash, sanft und wohlerzogen, fast zum Verzweifeln süß; und Beth, sagenhaft dreist und bewundernswert in der Art, wie sie das titelgebende höfliche Lächeln missachtet.
Ohne dies zum offensichtlichen Mittelpunkt der Erzählung zu machen, ist die Geschichte eingebettet in die gelebte Erfahrung, eine Schwarze Frau in Berlin zu sein; Fahrgast in der U-Bahn zu sein in einer Stadt, in der sie sich als Minderheit fühlt und offensichtlich beobachtet wird. Der Rassismus, dem ihre Kinder in der Schule und auf der Straße begegnen, der sich gar nicht so sehr von dem unterscheidet, den sie selbst Jahrzehnte zuvor in ihrer Kindheit und Jugend in Großbritannien begegnet ist.
Doch die Erzählerin ist sicherlich kein bloßes Opfer. Integraler Bestandteil der Erzählung, dass ihr Mann sie verlässt, ist die Tatsache, dass er sie wegen einer anderen Frau verlässt – einer Frau, die als Asylsuchende ohne rechtlichen Status in Deutschland lebt. Als die Erzählerin sie im Zorn als „illegale Einwanderin“ bezeichnet, wird sie von ihrer ansonsten mitfühlenden Freundin korrigiert: „Menschen können nicht illegal sein“ (90). In ihrer Wut tut die Erzählerin etwas, das nicht rückgängig gemacht werden kann, und das – so wird angedeutet – äußerst harte Konsequenzen hat. Auf diese Weise beschreitet die Novelle eine komplexe und heikle Linie bei der Aushandlung von persönlichem Unrecht und strukturellen Ungerechtigkeiten, während diese aufeinanderprallen und sich überschneiden.