Schwarz. Deutsch. Weiblich.
„Erst im Rahmen meines Studiums, das 1998 begonnen hatte, wurde mir bewusst, dass weder in den deutschen Medien, noch in der deutschen Politik eine Trennschärfe zwischen Rassismus und Rechtsextremismus erfolgte. Stattdessen wurde Rassismus auf Rechtsextremismus reduziert, und Rassist*innen wurden ausschließlich in der rechten Szene und nicht in der Mitte der Gesellschaft gesucht“ (S. 153)
Natasha A. Kelly ist eine Autorin, Wissenschaftlerin und Künstlerin, in deren Arbeiten Schwarze, dekoloniale und feministische Perspektiven immer eine zentrale Rolle einnehmen. Sie ist die Herausgeberin der Anthologie Schwarzer Feminismus: Grundlagentexte (erschienen 2019 im Unrast Verlag), welche bedeutsame Texte zum Konzept der Intersektionalität enthalten, die zum Teil erstmals in deutscher Übersetzung erschienen sind.
In ihrem aktuellen Buch Schwarz. Deutsch. Weiblich. – Warum Feminismus mehr als Geschlechtergerechtigkeit fordern muss, das 2023 im Piper Verlag erschienen ist, zeichnet Natasha A. Kelly die Geschichte Schwarzer Frauen in Deutschland nach, die sie geschickt mit ihrer eigenen Lebensgeschichte verknüpft. Sie erzählt, wann und wie sie mit wichtigen Akteurinnen Schwarzer, insbesondere Schwarzer deutscher Geschichte in Berührung gekommen ist und welchen Einfluss diese Frauen auf das Verständnis ihrer eigenen feministischen Identität hatten.
Kelly nähert sich den Biografien dieser Frauen in ihrem Buch, in dem sie ihnen jeweils einen kurzen Absatz widmet. Knapp fasst sie die bedeutsamsten Etappen ihrer Leben zusammen, bevor sie detaillierter auf die einzelnen Personen und auf deren Bedeutung im Kontext Schwarzer Geschichte eingeht. Dazu gehören unter anderem die US-amerikanische Feministin Audre Lorde, die durch ihre regelmäßigen Aufenthalte in Berlin einen großen Einfluss auf die Schwarze Bewegung in Deutschland hatte, oder die Poetin und Aktivistin May Ayim, die den Rassismus, den sie seit der Kindheit erlebte, zum zentralen Thema ihres Schreibens machte.
Schwarze Geschichte bekommt wenig Aufmerksamkeit im deutschsprachigen Raum, ob im Geschichtsunterricht, in den Medien oder in der Politik. Deutscher Kolonialismus wird nach wie vor, so Kelly, vor allem im Vergleich mit dem britischen Kolonialismus verhandelt und dadurch in seiner Gewalt und Bedeutsamkeit verharmlost. Kelly macht es sich in ihrem Buch zur Aufgabe die folgenschweren Auswirkungen des deutschen Kolonalismus darzustellen. Sie geht dabei nicht nur auf die Kolonialzeit selbst ein, sondern auch auf die Behandlung Schwarzer Personen zur Zeit des Nationalsozialismus, im Nachkriegsdeutschland, der ehemaligen DDR und in der Gegenwart.
Sie erzählt beispielsweise die Geschichte von „Machbuba“, einem äthiopischen Mädchen, das im Versklavungshandel durch den Fürsten Hermann von Pückler-Muskau erworben wurde. Fälschlicherweise wird sie auch heute noch als seine Geliebte bezeichnet, wodurch sein Machtmissbrauch verschleiert wird (darüber klärt auch eine Initiative auf, die postkoloniale Stadtrundgänge in Cottbus anbietet). Oder die Geschichte von Lucia Engombe, die als Kind aus Namibia floh und mit sieben Jahren in die DDR kam, wo sie in einem Kinderheim aufwuchs. Nach dem Mauerfall wurden sie und die anderen Kinder des Heims wieder nach Namibia abgeschoben, in ein für sie fremdes Land.
Gerade dadurch, dass Kelly den vermeintlichen Einzelschicksalen Raum gibt, offenbaren sich Muster in der Behandlung Schwarzer Frauen. So zeigt sie, wie der strukturelle Rassismus in Deutschland wirkt und macht ihn anhand der Lebensgeschichten vieler Frauen greifbarer und nahbarer.
Schwarz. Deutsch. Weiblich. ist ein persönliches und überaus wichtiges Buch. Es bietet nicht nur einen exzellenten Überblick über bedeutsame Schwarze Feministinnen und die deutsche Geschichte aus Schwarzer Perspektive, sondern hat mir einmal mehr klar vor Augen geführt, was ich alles über die Verbrechen Deutschlands nicht weiß. Diese zu kennen und die Nachwirkungen zu verstehen – das wird durch Kellys Buch sehr deutlich – ist dringend notwendig im Kampf gegen Rassismus.
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