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Gastfreundschaft

Lesung mit Priya Basil

Gastfreundschaft

Bei einer Lesung ihres neusten Buches Gastfreundschaft im März in Berlin erzählte Priya Basil wie dieses kleine Buch zustande kam; ihr Verlag hatte sie gefragt, ob sie nicht etwas über Essen und Politik schreiben wolle. Nach einiger Überlegung stellte Basil fest, dass Gastfreundschaft in ihrer vielfältigen Umsetzung das verbindende Element zwischen den beiden vom Verlag vorgeschlagenen Themen fungiert und so entstand das Buch, das sie geschrieben hat: Ein Buch über Essen, Politik und Gastfreundschaft. In vielerlei Hinsicht handelt es sich um ein sehr persönliches Buch. Basils Erzählung besteht aus einer Sammlung kleiner Vignetten, die mit ihren eigenen Erfahrungen Mahlzeiten zu sich zu nehmen, als Gast und Gastgeberin, eng verwoben sind. Das Buch erzählt die Geschichte ihrer Kindheit in Kenia als Tochter indischer Einwanderer, über den Umzug der Familie nach Großbritannien und zuletzt von ihrer Entscheidung sich in Berlin niederzulassen. Zudem umfasst Basils Buch eine große Spanne von Zeit und Raum um politische Ereignisse im Zusammenhang mit Essen und Gastfreundschaft zu thematisieren. Sie bewegt sich von den Machenschaften der Briten im kolonisierten Indien, welche eine Hungersnot hervorriefen und eine Art mörderische Unwirtlichkeit darstellen, hin zu ihrer Teilnahme an Langars, einer Mahlzeit die nach einem Sikh Gottesdienst stattfindet und allen offensteht, zunächst als Kind in Kenia, später in einem Tempel in Berlin Reinickendorf. Zuletzt nimmt Basil auch Gedanken und Eindrücke über den Empfang von Migrant*innen in Deutschland im Sommer 2015 mit in ihre Geschichte auf.

Philosophische Reflexionen, die meistens auf Jacques Derridas Überlegungen zu den unmöglichen Möglichkeiten der Gastfreundschaft beruhen, sind verflochten mit persönlichen Erfahrungen. Basil beschäftigt sich mit den Machtverhältnissen innerhalb der Gastfreundschaft, z.B. zwischen Gastgeber*innen und Gästen, und den Wegen wie diese immer wieder neu verhandelt werden können und sollten. Gleichzeitig adressiert Basil die genealogische Austauschbarkeit von Gastfreundschaft (hospitality) und Feindseligkeit (hostility). Sie legt offen, dass beide Wörter die gleiche indoeuropäische Etymologie teilen. Herauskristallisiert wird dies durch die Geschichte ihrer Großmutter, die als Frau ihrer Generation und mit ihrem kulturellen Hintergrund in Bezug auf die Gastfreundschaft, die von ihr erwartet wurde, nicht immer die Wahl hatte. Es ist ein sehr ehrliches Buch, in dem Basil sich nicht scheut weniger schmeichelhafte Aspekte ihrer eigenen Beziehung zu Gastfreundschaft und manchmal schwierige Details ihrer Familiengeschichte zu teilen. Liebhaber*innen von Basils erstem Roman, Ishq and Mushq, werden sofort erkennen, dass einige der zentralen Merkmale der Geschichte autobiographisch sind, z. B. Sarnas Umgang mit Essen, ihren Versuch gegen ein Gefühl von Hilflosigkeit anzukochen und dadurch sogar Kontrolle auszuüben. Ishq and Mushq ist durchzogen von detaillierten Beschreibungen von Mahlzeiten. Gastfreundschaft lässt Leser*innen in gleicher Weise hungrig werden.

Das Buch lässt sich relativ schnell und leicht lesen. Die deutsche Übersetzung von Beatrice Fassbender erschien letzten Monat, das Englische Original folgt in ein paar Monaten. Der Insel Verlag hat es als wunderschönes, kleines Buch gestaltet, das gut in jede Jackentasche passt. Politisch gesehen hätte man die Leser*innen – vor allem die privilegierten europäischen Leser*innen – angesichts des zahlreichen Versagens von Gastfreundschaft, das wir derzeit in Europa beobachten, noch etwas mehr herausfordern können. Anderseits sind einige von Basils Ideen, wie z. B. ein europaweiter Feiertag um die geteilte europäische Identität zu stärken oder eine Verlosung von europäischen Staatsbürgerschaften für Menschen aus weniger privilegierten Ländern, sehr ansprechend und konkret. Sie stellt einige produktive Vorschläge vor, die helfen könnten Gastfreundschaft zu äußern und leichter zu verwirklichen.

Aus dem Englischen von Beatrice Fassbender.

Insel Verlag 2019.

Rezension von Lucy Gasser.

Übersetzung Anna von Rath.

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