Deep Diversity: Die Grenzen zwischen „Uns“ und den „Anderen“ Überwinden
In seinem Buch Deep Diversity: Die Grenzen zwischen „Uns“ und den „Anderen“ Überwinden stellt Shakil Choudhury auf anschauliche Weise sein Konzept für die Bekämpfung von struktureller Diskriminierung vor. Es handelt sich um einen praktischen Ansatz, den Choudhury mit seiner Beratungsfirma Anima Leadership in Toronto in Kanada auch in Kursen vermittelt, damit Unternehmen, Schulen und andere Institutionen Deep Diversity anwenden können. Das Buch erklärt den theoretischen Ansatz, der stark auf Hirnforschung und psychologischen Studien basiert. Zusätzlich bietet Choudhury immer wieder Impulse für die eigene Reflektion und das eigene Handeln an.
Zwar ist die Deep Diversity Methode anwendbar auf verschiedene Diskriminierungsformen, aber Choudhury legt ein besonderes Augenmerk auf Rassismus. Diesen Fokus begründet er u.a. mit seiner eigenen Biographie: Als heterosexueller, gesunder Mann mit südasiatischen Wurzeln, der in Kanada lebt, ist er selbst von Rassismus betroffen. Viele der Kapitel beginnt er mit Anekdoten aus seinem eigenen Leben. Neben einem Aufhänger für die Theorie, macht er in den Anekdoten vor, dass die Bekämpfung von struktureller Diskriminierung viel kritische Selbsthinterfragung und aktive Verhaltensänderung erfordert.
Der Ansatz von Deep Diversity spricht das Gehirn und das Herz an, also Wahrnehmung und Emotionen. Grundlage für Choudhurys Konzept sind Forschungsergebnisse, die besagen, dass Voreingenommenheit, Angst und Vorurteile im Denken eng mit normalen Wahrnehmungs-, Kategorisierungs-, Erinnerungs- und Lernprozessen verflochten sind. Das prädestiniert Menschen für ein „Wir“ und „Ihr“ Denken, dass mit der Deep Diversity Methode verstanden, analysiert und verändert werden soll. Bezugnehmend auf die Hirnforschung zu Primal Leadership (übersetzt etwa Forschung zu grundlegendem Führungsverhalten) erklärt Choudhury zum Beispiel, dass eine rechte und rassistische Haltung sich durch emotionale Ansteckung verbreitet. Wenn eine Führungskraft Angst vor dem „Anderen“ hat, überträgt sich diese Emotion leicht auf Menschen im direkten Umfeld dieser Person. Choudhury arbeitet in seinem Buch mit Beispielen aus dem kanadischen Kontext, aber die Theorie lässt sich leicht auf den Zuspruch für den Brexit in Großbritannien oder die AfD in Deutschland übertragen: Die Angst von wenigen, starken Stimmen überträgt sich auf viele andere Menschen und führt teilweise zu irrationalen und fatalen Entscheidungen, die gesellschaftliche Gräben verstärken.
Um die Auswirkung von Vorurteilen im richtigen Leben zu verdeutlichen, zieht Choudury Studien heran, die belegen, dass z.B. Menschen mit ausländisch klingenden Namen 40% weniger zu Vorstellungsgesprächen eingeladen werden. Solche Beispiele gibt es wissenschaftlich belegbar auch für das Gesundheitswese, im Bildungssystem und in der Rechtsprechung. Choudhury erklärt: Wenn Vorurteil der Glaube ist, dann ist Diskriminierung die damit verbundene Handlung.
Kompliziert wird es dadurch, dass der Glaube – also die Vorurteile – psychologisch verankert ist. Menschen entwickeln immer wieder psychologische Zerrbilder und kulturelle Mythen, die sogar diejenigen, die nicht der dominanten Gruppe angehören, häufig verinnerlichen. Assoziationsketten wie gut, böse, schön und hässlich, werden mit Schwarzsein oder weißsein verbunden. Bestimmte Kulturen gelten als fleißig, andere als faul.
Ein Verständnis für die Verinnerlichung bestimmter Denkweisen, die auf individueller und institutioneller Ebene zu Diskriminierung führt, nutzt Choudhury als Basis. Zusätzlich stellt er in jedem Kapitel von Deep Diversity Fähigkeiten vor, um die Beziehung zu sich selbst und zu anderen in positiver Weise zu stärken. Choudhury empfiehlt tiefe Reflektion über Selbstwahrnehmung, Selbstregulierung, Empathie und Arbeit an der eigenen Konfliktfähigkeit oder auch Meditation.
In dem Prozess eigene Denk- und Verhaltensmuster zu verändern, empfiehlt Choudhury, Mitgefühl mit sich selbst zu entwickeln. Denn wenn Menschen Gewohnheiten ändern oder Gelerntes verlernen wollen, betreten sie einen langen Weg voll von Fettnäpfchen. Zudem tendieren Menschen dazu, sich neue Gewohnheiten anzueignen: Wenn Menschen beginnen Diskriminierung wahrzunehmen, kann es passieren, dass das ihr einzige Fokus wird. Das trägt in der Regel nicht zu Empowerment bei, sondern zu Frustration.
Deep Diversity ist ein relevantes Buch für alle, die ihre eigenen Vorurteile besser verstehen wollen. Darüber hinaus kann Deep Diversity als Ratgeber für Unternehmens- und Organisationsstrukturen dienen, wenn Lesende bereit sind, etwas Transferleistung zu erbringen. Gerade die fundierten Referenzen zu aktuellen Studien helfen sicher, Menschen zu überzeugen, die Identitätspolitik kritisch gegenüberstehen und sich am liebsten an harten Fakten orientieren.
(Das Buch erschien 2015 auf Englisch und 2017 in der deutschen Übersetzung von Jessica Agoku.)
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