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Sula

sula cover, Roman von Toni Morrison, deutsche Übersetzung

Sula

Schon lange hatte ich vor, mehr von Toni Morrison zu lesen – tatsächlich habe ich vor, mich Stück für Stück durch ihr Gesamtwerk zu lesen. Sula, zuerst im Jahr 1973 erschienen (und 1980 in der deutschen Übersetzung von Karin Polz), ist der zweite Roman der Literaturnobelpreisträgerin, deren Romane eine vielschichtige Sprache über Schwarze Erfahrungen eröffnete und vielen weiterhin als große Inspiration dient. Sula spielt in einem Schwarzen Viertel auf einem Hügel, genannt „Bottom“, am Rand der fiktionalen Stadt Medallion in Ohio. Anhand von mehreren Charakteren erfahren Leser:innen chronologisch Details über das Leben in dem Viertel zwischen den Jahren 1919 und 1965, einer Zeit, die stark von den Weltkriegen geprägt ist. Eine zentrale Rolle für den Ort spielt die Figur der Sula Peace, auch wenn sie nicht immer direkt in Erscheinung tritt.  Sula widersetzt sich gesellschaftlichen Strukturen und wird dafür einerseits heimlich bewundert, aber dient gleichzeitig als Sündenbock für den gesamten Ort.

Der Ort und die Aufteilung der Wohngebiete beschreiben die gesellschaftlichen Trennlinien zwischen der Schwarzen und der weißen Bevölkerung. Zusätzlich liegt der Fokus auf der Rolle von Schwarzen Frauen und auf den teilweise erdrückenden Geschlechternormen der damaligen Zeit. Sula wächst in einem Frauenhaushalt mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter auf, die sich jeweils auf ihre eigene Art durchs Leben schlagen. Der Großmutter wird nachgesagt, sie hätte sich absichtlich vor einen Zug geworfen, um für ihr verlorenes Bein eine Rente zu erhalten. Es bleibt bis zuletzt unklar, aber irgendwie schaffte sie es, nachdem ihr Mann sie verlassen hatte, als Einbeinige ihre drei Kinder großzuziehen und zu überleben. Sulas Mutter Hannah ist ebenfalls alleinstehend und gibt sich ihr kurzes Leben lang der Lust und Sinnlichkeit hin. Sula, die es trotz ihrer Kritik an ihnen, in gewisser Weise beiden Frauen nachtut, indem sie skrupellos und sexpositiv erscheint und niemals heiraten möchte, zieht sich als Erwachsene den Zorn – und heimlichen Neid – der anderen Bewohner:innen des Ortes zu. Diese Familienkonstellation und ihre unterschiedlichen Überlebensstrategien zentrieren Fragen rund um Liebe, Sexualität und (Un)Abhängigkeit, die heute nichts an Relevanz verloren haben.

Zusätzlich beleuchtet der Roman die Freundinnenschaft zwischen Sula und Nel. Die beiden sind seit Kindertagen unzertrennlich, nicht zuletzt wegen eines unaussprechlichen Geheimnisses. Sie werden als zutiefst unterschiedliche Pole dargestellt, die in ihrer Freundinnenschaft dennoch miteinander verschmelzen. Als Sula für 10 Jahre verschwindet und zurückgehrt, wendet sich Nel jedoch genau wie der Rest des Ortes gegen sie. Erst nach Sulas Tod erkennt Nel, dass ihre Freundinnenschaft die innigste Beziehung ihres Lebens war. Alle Frauencharaktere eröffnen unterschiedliche Perspektiven auf das Frausein.

Morrisons Schreibstil ist trotz der oft heftigen Ereignisse von einem schrecklichen Humor geprägt – er schreckt auf und macht den Schrecken leichter lesbar. Dieser Stil ist es, der mich beim Lesen am stärksten für Sula einnahm. Ich habe dieses kleine Büchlein in Windeseile verschlungen und denke immer noch an die komischen und gleichzeitig furchtbaren Szenen, die es beschreibt. Ich freue mich darauf, Morrisons Gesamtwerk Stück für Stück durchzulesen – Jazz liegt schon bereit.

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