Im wir und jetzt – Feministin werden
Die in Berlin lebende Autorin Priya Basil war Teil einer der ersten Lesungen von poco.lit. Damals sprachen wir mit ihr über ihr Buch Gastfreundschaft. Nun hat Basil ein weiteres Sachbuch nachgelegt, nämlich Im wir und jetzt – Feministin werden (ins Deutsche übersetzt von Beatrice Fassbender). In den zwei Teilen des Buches, „Fight“ und „Subjekte der Begierde“, erzählt Basil über ihre eigene Politisierung und analysiert feministische Dilemmata im Zusammenhang mit #MeToo und ihrer Mitgestaltung einer Ausgabe eines führenden Modemagazins mit zahlreichen anderen Frauen, die einen feministischen Kreis von Verbündeten bilden und eigentlich nichts mit der Modewelt zu tun haben. In gewisser Weise wirkte Basils Buch auf mich wie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der oft mit zwinkerndem Auge behandelten Aussage „I am a feminist, but …“ (Ich bin Feministin, aber…) in Deborah Frances-Whites Comedy Show The Guilty Feminist.
Im Stil ähnelt Im hier und jetzt seinem Vorgänger Gastfreundschaft sehr: Wieder handelt es sich um Sammlungen kurzer Anekdoten und verschiedener Erzählstränge, die miteinander verwoben werden und ein großes Ganzes bilden. In Im hier und jetzt soll dieses hin und her Springen vielleicht die Herausforderungen unterstreichen, die das Feministin-Sein offensichtlich mit sich bringt, denn das Buch macht klar, dass es sich dabei um eine Lebensentscheidung handelt, die verlangt, mit Widersprüchen umgehen zu lernen.
Vor allem der erste Teil, „Fight“, ist gespickt mit Fragen danach, was eine Feministin ausmacht. Teile einer Antwort bietet Basil in Form von Zitaten wichtiger feministischer Denkerinnen an, darunter Judith Butler, Sara Ahmed und Donna Haraway. Sie dienen ihr zusätzlich als theoretisches Fundament des Buches und geben ihrer eigenen feministischen Haltung klarere Formen. Denn, so ein anderer Erzählstrang, sie selbst wuchs zwischen zwei unsagbar gegensätzlichen Polen auf, zwischen ihrer rechthaberischen, lauten Großmutter und ihrer stillen, oft ungesehenen Mutter, und in keiner der beiden fand Basil ein passendes feministisches Vorbild. Wer Gastfreundschaft oder auch Basils ersten Roman Ishq and Mushq – in dem sie fiktionalisiert wurde – kennt, wird vor allem mit der kantigen und zugleich beeindruckenden Figur der Großmutter bereits vertraut sein.
„Subjekte der Begierde“ nimmt den größeren Teil des Buches ein. Die Frage, ob Mode oder Modemagazine überhaupt feministisch sein können, wird aufgedröselt und eine Beteiligung an diesem Prozess diskutiert. Basil arbeitet die allgegenwärtige Ambiguität heraus. Die beschriebene Verbindung zwischen den Frauen, die gemeinsam an einem Projekt arbeiten, ist das bewegendste an diesem Teil des Buches. 38 Frauen unterschiedlichen Alters, mit und ohne Flucht Erfahrung, weiß, of Color und Schwarz, Mütter, Frauen in Partner*innenschaften und Alleinstehende kommen zusammen, um zu diskutieren, etwas zu erschaffen, sich zu streiten und sich Rückhalt zu bieten. Basil beschreibt, wie diese Erfahrung dazu führte, dass sie sich im Anschluss traute, selbstbewusst öffentlich aufzustehen und für ihre Positionen einzustehen. Sie schreibt „Vor ein paar Monaten, vor der Sache mit dem Magazin, hätte ich mich öffentlich nicht so geäußert. Aber etwas an der Verbindung mit diesen Frauen …, hat mich ermutigt“ (165). Die Wichtigkeit feministische Bande zu bilden, die Kraft, die daraus entsteht, kann nicht oft genug wiederholt werden.
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