Der Tod des Vivek Oji
Akwaeke Emezi veröffentlichte innerhalb kürzester Zeit drei Bücher, die einen regelrechten Hype auslösten. (Eine Rezension zu Emezis Debut Süsswasser gibt es hier.) Ich konnte es dementsprechend kaum erwarten, endlich Der Tod des Vivek Oji (übersetzt von Anabelle Assaf) in die Finger zu bekommen. Wie es Emezis Art ist, bringt auch dieses Buch erfolgreich konservative Gender-Bilder ins Wanken. Emezi verdeutlicht, welche Einsamkeit damit einhergehen kann, gesellschaftlichen Normen in Bezug auf Geschlecht und Sexualität nicht zu entsprechen; welch tiefgreifenden Schmerz es auslöst, nicht die Person sein zu können, die du bist.
Das Buch beginnt mit Viveks Tod und schlüsselt nach und nach die Umstände dieses tragischen Ereignisses auf. Vivek ist ein Einzelkind und lebt mit Vater und Mutter in einer ländlichen Region in Nigeria. Die Mutter – sie ist indischer Herkunft – bewegt sich im Kreise der sogenannten Nigerwives, einer Gruppe ausländischer Frauen, die nigerianische Männer geheiratet haben. Die Kinder dieser Frauen gehören zu Viveks engsten Vertrauten. Sie hüten seine Geheimnisse, sogar vor seinen Eltern, bis die Suche der Mutter nach der Wahrheit die Jugendlichen zwingt, es zu lüften.
Die Erzählperspektive wechselt immer wieder und Leser*innen lernen auf diese Weise unterschiedliche Facetten von Vivek kennen. Während Viveks Altersgenoss*innen nichts als Akzeptanz, Wertschätzung und tiefe Liebe für Vivek haben, können die Erwachsenen nicht aufhören, sich den Mund über ihn zu zerreißen: Er ist doch komisch, unnormal und womöglich krank, denn er verhält sich feminin und schüchtern, nicht wie der Junge, der er sein soll. Der generationelle Unterschied deutet zwar auf einen gesellschaftlichen Wandel hin, doch es ist klar, dass Vivek leidet und dass er sich auf Grund der äußeren Umstände gezwungen sieht, seine Geheimnisse zu behüten.
Häufig ist es leider so, dass, wenn die Erwartungen schon vor dem Lesen sehr hoch waren, es ein Buch nicht unbedingt schafft, diese zu erfüllen. Ich hätte mir gewünscht, die Charaktere noch tiefer kennen zu lernen – trotz des ganzen Dramas wirkten sie fast etwas flach auf mich, sie zeigten wenig Entwicklung im Laufe der Geschichte. Dennoch ist Der Tod des Vivek Oji eindeutig ein mitreißendes Buch: Ich wollte auf jeden Fall rausfinden, wie Vivek gestorben ist, was sich hinter seiner Schwermütigkeit verbirgt und wurde dabei ein paar Mal überrascht. Emezis Buch stellt wichtig Fragen über die verhängnisvolle Macht von gesellschaftlichen Normen in Bezug auf das Ausleben der eigenen Identität und ist ein sensibles Plädoyer für die Selbstermächtigung.
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