Namwali Serpells neuer Roman The Furrows: An Elegy
Der zweite Roman von Namwali Serpell, The Furrows: An Elegy (auf Deutsch etwa Die Furchen: Eine Elegie), erscheint nächstes Jahr und er klingt sehr vielversprechend. Am 15. September 2021 hatte ich das Glück, online an einem Kolloquium des W. E. B. Du Bois Research Institutes am Hutchins Center for African and African American Research der Harvard University teilzunehmen, bei dem Serpell aus ihrem neuen Roman vorlas. (Nebenbei bemerkt: Ich habe keine Verbindung zur Harvard University, erhielt aber per E-Mail-Registrierung sehr leicht Zugang zur Veranstaltung – das ist sicherlich einer der wenigen erfreulichen Nebeneffekte der pandemiebedingten Virtualisierung solcher Veranstaltungen).
The Furrows beschäftigt sich intensiv mit Trauer und Verlust. Eine Hauptfigur setzt sich mit dem (möglichen) Tod ihres jüngeren Bruders auseinander. Serpell las drei Auszüge vor: Im ersten beschreibt die Erzählerin den Tag, an dem ihr Bruder ertrunken sein könnte (oder auch nicht); im zweiten berichtet sie von einer seltsamen Begegnung mit einem Mann, der ihr auf unheimliche Weise bekannt vorkommt; und im dritten beginnt eine andere Stimme zu erzählen, wie er ins Gefängnis gekommen ist. In gewisser Weise knüpft die Geschichte an Serpells preisgekrönten Roman The Old Drift von 2019 an und spielt mit der Mehrstimmigkeit – diesmal mit dem Wechsel zwischen verschiedenen Ich-Erzähler*innen mit ganz eigenen Sprachmustern, was bei ihrer Lesung schnell deutlich wurde. Im Gegensatz zu ihrem früheren Buch spielt dieses jedoch in den USA – bezeichnenderweise im Baltimore der 1990er Jahre, wo Serpell selbst aufgewachsen ist. Es befasst sich nicht mit der sambischen Kolonialgeschichte, einem zentralen Anliegen des früheren Werks. Serpell skizzierte bei der Veranstaltung einige ihrer Interessen, die sie in diesem neuen Roman verfolgt, z.B. beschäftigte sie im Schreibprozess die Auseinandersetzung mit verschiedenen Arten Schwarzer Identität sowie mit verschiedenen Formen Schwarzer Sprache.
Als ich der Autorin bei ihrer Lesung zuhörte, war ich beeindruckt von der Kraft ihrer Prosa, die selbstbewusst wirkt und sich durch einen geschickten Umgang mit Sprache auszeichnet. Serpell schreibt auch akademische Sachbücher, Essays und Artikel und arbeitet an eben jener renommierten Universität, an der das Kolloquium stattfand. Aktuell unterrichtet sie Toni Morrison, auf die sie im Kolloquium häufig Bezug nahm. Nach der Lesung wurde Serpell gefragt, als was sie sich versteht – als Romanautorin oder Akademikerin – und wie sie mit ihren Rollen umgeht. Sie antwortete, dass sie einen absoluten Bruch zwischen den beiden Arten des Schreibens – dem kreativen und dem akademischen – braucht, damit sie nicht aus Versehen anstelle des Romans eine Kritik über ihn schreibt, obwohl der Roman noch gar nicht fertig ist.
Bei ihrer Lesung aus dem neuen Buch tauchten weitere Themen auf, die auf eine spannende Lektüre hindeuten: eine Untersuchung des Doppelgängermotivs und der Unheimlichkeit, die durch Wiederholungen entsteht, sowie eine kritische Darstellung des industriellen Gefängniskomplexes. Ich empfehle sehr, nächstes Jahr Ausschau nach The Furrows zu halten, aber wir werden natürlich über die Erscheinung hier auf poco.lit. berichten.