Mit einem Apfel vom Mars
Letztes Jahr veröffentlichte poco.lit. einige Essays über Afrofuturismus, Afrikanischen-Futurismus und spekulative Fiktion. In diesem Jahr freuen wir uns, einige kurze, kreative Beiträge zu präsentieren, die über alternative Zukunftsvisionen für den afrikanischen Kontinent spekulieren.
Sie nahm einen Bissen von ihrem Apfel, den sie vom Mars mitgebracht hatte. Der Apfel sah aus der Ferne im Vergleich zu denen in den Lebensmittelgeschäften ziemlich groß und saftig aus. Äpfel gehörten zu den vielen Lebensmittel, die auf den Böden des Mars gut gediehen, die durch das dort entdeckte Süßwasser angereichert und daraufhin den Marsianer:innen, den Indigenen des Mars, sowie den menschlichen Erdbewohner:innen, die in den letzten zehn Jahren auf den Mars umgesiedelt waren, zugänglich gemacht wurden. Bei ihren jährlichen Besuchen auf der Erde waren alle Augen auf Prof. Nina Mbote und ihr Team von Weltraumforscher:innen gerichtet. Auf Pressekonferenzen erzählte sie vom Leben auf dem Mars, von der harmonischen Konvivenz von Menschen und Marsianer:innen. Sie erzählte davon, wie der Mars für die Menschen zur zweiten Heimat wurde. Der Höhepunkt ihres öffentlichen Auftritts war immer dann gekommen, wenn sie die Namen der hundert Menschen verlas, die in der Lotterie gewonnen hatten, und mit dem Raumfahrtteam auf den Mars zurückkehren würden.
Prof. Nina Mbote, eine Geophysikerin, die in einer kleinen Stadt im Tschad aufwuchs, entdeckte bei geophysikalischen Untersuchungen im Inneren der Erdkruste Wasser in der Sahara-Wüste. Seitdem hatte sich das Bild der Sahara verändert, denn sie war zum grünsten Teil der Erde geworden, als sich der äquatoriale Regenwald ausbreitete und eine Landschaft verschlang, die einst so trocken war wie die Knochen, die im Wüstensand verstreut lagen. Später schloss sie sich der Sub-Saharan Space Society (SSSS) bei ihrer Weltraummission zum Mars an, wo sie die geophysikalischen Erkenntnisse ihrer Sahara-Erkundung dazu nutzte, frisches Wasser in flüssiger Form aus der Marskruste aufzuspüren und auszugraben – eine grundlegende Voraussetzung für die menschliche Besiedlung dieses Planeten. Fortgeschrittene landwirtschaftliche Technologie hatte riesige Nutzpflanzenplantagen auf dem Mars ermöglicht, die auf den unbelasteten Böden und im Klima des Mars gesunde und reiche Ernten einbrachten.
Die Sub-Saharan Space Society hatte ihr Zentrum in der Kalahari und leistete Pionierarbeit beim kommerziellen Raumtransport von Menschen und Marsianer:innen zwischen den beiden Planeten. Ihre moderne Weltrauminfrastruktur manifestierte sich in den hochentwickelten, mit bunten afrikanischen Prints und Mustern bemalten Raumflugzeugen, die zum Symbol für die Verbindung der beiden Planeten geworden waren. Die Nachfrage nach Weltraumtourismus war groß, und so gab es tägliche Flüge zur ISS, wöchentliche Raumflüge zum Mond und vierzehntägige Flüge durch den Weltraum zum Mars: Allesamt starteten sie vom SSSS-Hub in der Kalahari. Raumfahrtwissenschaftler:innen der Universität Kalahari hatten die Kernspaltung weiterentwickelt, die einen effizienten und adäquaten Antrieb des Raumflugzeugs während der langen Reise durch den Weltraum ermöglichte.
Es dämmerte schon, als die hundert Gewinner:innen der Mars-Lotterie aus den unterschiedlichsten Ecken der Erde die Raumfähre Afromars AM 735 vom Kalahari Space Hub bestiegen. Prof. Nina Mbote und ihre marsianische Familie waren die letzten, die an Bord gingen. Sie winkten den Zuschauer:innen von der Aussichtsplattform zu. Trotz ihrer zahlreichen Preise und Ehrungen, war Prof. Mbote für viele hauptsächlich eine Symbolfigur für interplanetaren Austausch: Ihre Familie bestand aus interplanetaren Spezies, die sowohl an die Lebensbedingungen auf der Erde als auch auf dem Mars gut angepasst waren. Die Meilensteine der Weltraumforschung waren nicht nur in ihren geophysikalischen Erkenntnissen präsent, sondern auch in den Körpern ihrer Kinder verankert, die als neue hybride Spezies die Bande zwischen Menschen und Marsianer:innen festigten.