Der weisse Fleck
Mohamed Amjahid hat mit Der weisse Fleck: Eine Anleitung zu antirassistischem Denken eine Fortsetzung zu seinem ersten Buch Unter weißen: Was es heißt privilegiert zu sein vorgelegt, das ebenfalls sehr gut als weiterführende Lektüre nach Alice Hasters Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten oder Noah Sows Deutschland Schwarz Weiß gelesen werden kann. Während diese Bücher erst mal ein grundsätzliches Verständnis für die Konstruktion von Racial-Identitäten und einhergehende (Nicht-)Privilegierung vermitteln, geht Amjahid in seinem neuen Buch auf weiterführende Aspekte und mögliche Handlungsoptionen ein, um kritisch mit der eigenen Position umzugehen – besonders als weiße Person.
Mit den Kapiteln im Buch deckt Amjahid einige der Titelgebenden weißen Flecken auf, was meint, er erklärt Dinge, die viele weiße Menschen im Alltag nicht wahrnehmen, wenn sie sich nicht anstrengen sie wahrzunehmen. Er beginnt damit, Verhaltensmuster von privilegierten Menschen zu analysieren und geht dabei anhand von Beispielen, die er beobachtet oder selbst miterlebt hat, auf weiße Überheblichkeit und das weiße Selbstbewusstsein, sich zu jeder Art von Handlung und Aussage berechtigt zu fühlen, ein. Sei es nun ein nett gemeinter „Hinweis“ eines selbsternannten weißen Verbündeten auf Twitter, ein ihm erteiltes regelrechtes Sprechverbot bei einer Veranstaltung oder ein katholischer weißer Mann, der sich selbst als Teil der weltweit am stärksten diskriminierten Gruppe versteht. Trotz aller Privilegien (oder gerade deswegen?) lassen sich weiße Menschen, Amjahid zu folge, (der sich auf diverse Wissenschaftler*innen bezieht,) nur ungern kritisieren, das Ego ist leicht angegriffen und auch bei der Opferolympiade gilt es zu gewinnen. Der Begriff Opferolympiade beschreibt Ähnliches wie der englische Ausdruck oppression olympics, über den Roxane Gay sich in Bad Feminist kritisch äußert, und ist eine Idee, die auch von Social Justice Ansätzen stark kritisiert wird, da es wenig produktiv sei, individuelle (tatsächliche oder eingebildete) Betroffenheiten oder Formen struktureller Diskriminierung gegeneinander auszuspielen. In diesem Sinne ist Amjahids Hinweis einer kontextabhängigen Priorisierung von Themen für einen gemeinsamen Kampf überaus nützlich.
Amjahid thematisiert außerdem neuste Erscheinungen davon, wie weiße Menschen sich für ihren eigenen Profit Wissen von Menschen of Color aneignen. Er erklärt, wie unbedingt notwendig eine (selbst-)kritische Erinnerungskultur für ein gerechteres Miteinander ist; dass Rassismus auch eine Komponente von perverser Faszination beinhaltet, die sich in der Porno-Branche und im Porno-Konsum niederschlägt. Das Buch lenkt den Blick auf teilweise wirklich unbequeme Themen, die für alle Menschen in ihrem deutschen Alltag relevanter sein sollten. Es erinnert aber auch daran, den globalen Kontext und Nord-Süd-Machtgefälle dabei nicht aus den Augen zu lassen.
Das Buch endet mit einer Liste von 50 Punkten, wie sich weiße Menschen antirassistisch verhalten können. Damit reagiert Amjahid sicherlich auf einen Wunsch von vielen weißen Personen – meiner selbst eingeschlossen, die sich fragen, wie sich ein wachsendes Wissen über Rassismus auf das eigene Handeln niederschlagen kann. Vieles davon klingt erst einmal leicht umsetzbar, wie etwa „reden Sie mit anderen weißen Menschen über weiße Privilegien“. Doch wird sich sicherlich im Alltag zeigen, dass es Situationsbegingt herausfordernd bleiben wird: Wann sprechen, wann nicht sprechen, was sind die aktuellen politisch korrekten Begriffe, usw.? Es heißt letztendlich: Am Ball bleiben.
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