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Autor*in trifft Übersetzer*in: Ein Gespräch mit Sharon Dodua Otoo und Jon Cho Polizzi

Author meets Translator with Sharon Dodua Otoo and Jon Cho Polizzi

Autor*in trifft Übersetzer*in: Ein Gespräch mit Sharon Dodua Otoo und Jon Cho Polizzi

Am 07. März 2024 fand unsere Veranstaltung „Autor*in trifft Übersetzer*in“ mit Sharon Dodua Otoo und Jon Cho Polizzi statt. Gemeinsam haben wir über den Roman Adas Raum (Ada’s Room/Ada’s Realm) gesprochen, über vielfältige Erzählperspektiven, Mehrsprachigkeit, Dialekt und Humor.

Das Gespräch fand auf englischer Sprache statt. Bei dieser deutschen Übersetzung handelt es sich um einen Auszug aus dem Gespräch.

Sharon Dodua Otoo lebt als Schriftstellerin und politische Aktivistin in Berlin. Sie schreibt Prosa, Essays, ist Herausgeberin der englischsprachigen Buchreihe „Witnessed” und kuratiert das Schwarze Literaturfestival „Resonanzen“. Ihr Debütroman Adas Raum (2021) wurde in mehrere Sprachen übersetzt. 2016 gewann sie den Ingeborg-Bachmann-Preis.

Jon Cho Polizzi ist Assistant Professor of German an der University of Michigan und Literaturübersetzer. Ins Englische übersetzte er u. a. Werke von Sharon Dodua Otoo, Max Czollek und Fatma Aydemir.

Anna: Sharon, wie kam es dazu, dass du dieses Buch geschrieben hast? Was hat dich inspiriert und wie ist die Idee gewachsen?

Sharon: Zunächst möchte ich mich für die Einladung zu dieser Veranstaltung bedanken. Ich freue mich, mit dir und mit Jon über mein Buch zu sprechen. Ich danke euch beiden für die Unterstützung meiner Arbeit.

Dass ich Adas Raum geschrieben habe, beginnt mit der Kurzgeschichte, für die ich 2016 den Bachmann-Preis gewonnen habe. Diese Kurzgeschichte hatte ich 2014 geschrieben. Damals war ich gebeten worden, einen Essay über weiße Privilegien zu schreiben – was es bedeutet, eine weiße Person in einer überwiegend weißen Gesellschaft zu sein und Privilegien zu haben, die gar nicht als solche wahrgenommen werden, weil alles nach Plan läuft. Als ich diese Anfrage erhielt, fand ich sie interessant, aber ich hatte das Gefühl, dass es bereits viele Texte zu diesem Thema auf Deutsch gibt. Ich habe gefragt, ob ich eine Kurzgeschichte schreiben kann, und die Herausgeber*innen haben zugestimmt. Und dann habe ich mir diese Geschichte ausgedacht, Herr Gröttrup setzt sich hin.

Die Geschichte wurde wegen fehlender Finanzierung nicht veröffentlicht, was damals frustrierend für mich war. Aber es stellte sich später als Vorteil heraus. Denn als ich zwei Jahre später gefragt wurde, ob ich an dem Kurzgeschichtenwettbewerb teilnehmen wolle, hatte ich nur diesen einen Text. Ich schickte dem Jurymitglied meinen Text, und dann recherchierte ich, um was für einen Wettbewerb es sich handelte. Zum Glück ist es so gelaufen, denn wenn ich vorher von dem Wettbewerb gewusst hätte, hätte ich diese Kurzgeschichte nicht eingereicht. Der Text ist absurd. Während ich mich über den Kurzgeschichtenwettbewerb informierte, dachte ich: Die meisten eingereichten Geschichten sind sehr ernst und sie haben eine literarische Qualität, die meine Kurzgeschichte einfach nicht hatte. Wie dem auch sei, 2016 stellte sich heraus, dass die Jurymitglieder meinen Text gerne gelesen und diskutiert haben.

Die Geschichte gewann also gegen meine Erwartung den Wettbewerb. Und damit kam das Privileg, durch eine Literaturagentur vertreten zu werden und Zugang zu einem großen deutschsprachigen Verlag zu erhalten. Ich wurde ermutigt, meinen Roman zu schreiben. Ursprünglich sollte er direkt aus der Kurzgeschichte entstehen. Diejenigen, die sowohl die Kurzgeschichte als auch den fertigen Roman kennen, werden einige Verbindungen bemerken, aber letztendlich hat die Kurzgeschichte nur sehr wenig mit dem Roman zu tun. Ich beschloss, dass die Kurzgeschichte ein Eigenleben entwickelt hatte, das nicht wirklich zu dem passte, worüber ich eigentlich schreiben wollte. Das war also die Geburtsstunde des Romans. Er entstand aus der Kurzgeschichte.

Anna: Und Jon, wie kam es dazu, dass du beauftragt wurdest, Adas Raum zu übersetzen? Was bedeutet diese Übersetzung für dich?

Jon: Ich möchte mich auch als erstes für die Organisation dieser Veranstaltung bedanken, und bei Sharon, dafür dass du das Buch geschrieben hast. Die kurze Antwort ist, dass Sharon mich über Twitter gefragt hat, ob ich eine Probeübersetzung machen könnte. Diese Probeübersetzung entwickelte sich letztendlich zu einem Manuskript in Buchlänge.

Aber jetzt etwas mehr Kontext: Während des Pandemie-Lockdowns habe ich geholfen, für eine Open-Access Publikation einiger Texte aus dem Sammelband Eure Heimat ist unser Alptraum ein Team von Übersetzer*innen zu organisieren und die Übersetzungen zu lektorieren. Dank dieser Arbeit konnte ich mit einigen meiner deutschen Lieblingsautor*innen in Kontakt treten und daraus entstanden viele weitere Kooperationen.

Die noch längere Geschichte wäre, dass ich, als ich mit der Graduate School begann, jeden Sommer ehrenamtlich bei diesem Literaturfestival in Süddeutschland mithalf, bei dem von José F. A. Oliver organisierten Hausacher LeseLenz. Mehrere Jahre zuvor hatte Oliver mich mit Max Czollek vernetzt, der zum Festival eingeladen war. Er hatte mich gefragt, ob ich ein paar kurze Essays von Max übersetzen könnte, die den internationalen Festivalgästen zur Verfügung gestellt werden sollten. Im Laufe dieses Festivals haben Max und ich uns angefreundet. Wir arbeiteten danach bei anderen Projekten zusammen und durch ihn kam ich zu den Kontakten, aus denen sich das Übersetzungsprojekt von Eure Heimat ist unser Alptraum ergab, durch das ich Sharon zum ersten Mal traf.

Es bedeutet ehrlichgesagt Alles für mich, dass ich dieses Buch übersetzen durfte. Zu diesem Zeitpunkt meiner Karriere hatte ich schon eine ganze Weile übersetzt und kleinere Übersetzungen an verschiedenen Orten platziert, aber meistens im Do-It-Yourself-Stil. Die Übersetzung von Eure Heimat ist unser Alptraum haben wir selbst organisiert und dann über eine Online-Plattform der Universität veröffentlicht. Ich hatte noch nie mit einem großen Verlag zusammengearbeitet, ich hatte noch nie ein ganzes Buch übersetzt. Ich war bereits ein großer Fan von Sharons Arbeit. Als sie sich auf diese informelle Art und Weise an mich wandte, war ich überwältigt. Ich war auch ziemlich eingeschüchtert von der Tatsache, dass Sharon bereits selbst englische Texte veröffentlicht hatte und auch in britischem Englisch schreibt, was für mich immer eine Herausforderung war. Adas Raum zu übersetzen, bedeutete für mich viel Angst, aber auch enorm viel Hoffnung, Dankbarkeit und gegenseitiges Vertrauen. Tatsächlich war dieses Projekt sozusagen der Beginn meiner Karriere, sowohl als Akademiker als auch als Übersetzer. Die Übersetzung war für mich ausschlaggebend für alles, was danach kam. Ich freue mich immer noch so sehr, wenn ich das Buch irgendwo entdecke, besonders wenn ich in Deutschland bin und sowohl die deutsche als auch die englische Version nebeneinander sehe. Ich spüre dann ein Kribbeln im Bauch und denke: „Wow, ich kann nicht glauben, dass ich Teil davon bin.“ Das bedeutet mir viel.

Sharon: Ich war so dankbar, dass du ja gesagt hast, Jon! Da meine Muttersprache und meine stärkste Literatursprache Englisch ist, wurde ich immer wieder gefragt: „Warum übersetzt du das Buch nicht einfach selbst?“ Mir war klar, dass es jemand anderes übersetzen musste. Aber ich kann nachvollziehen, wie beängstigend es sein muss, mein Deutsch zu nehmen, zu versuchen, es ins Englische zu übersetzen, mir dann das Ergebnis zu zeigen und sich zu fragen: „Was hält Sharon wohl davon?“

Anna: Im Roman verändert sich die Erzählperspektive ständig, sodass Leser*innen die Welt der Fiktion nicht nur aus der Perspektive menschlicher Figuren in unterschiedlichen historischen, geografischen und kulturellen Kontexten erleben, sondern auch aus der Perspektive von Gegenständen wie einem Besen, einem Türklopfer aus Messing in Form eines Löwenkopfes, einem Zimmer in einer Baracke des Konzentrationslagers Mittelbau-Dora, einem Reisepass. Sharon, wie bist du auf diese Idee gekommen und was ermöglicht dir diese Perspektivenvielfalt?

Sharon: Die Antwort beginnt wieder mit der Kurzgeschichte. In der Kurzgeschichte wird teilweise aus der Perspektive von einem Ei erzählt, das beim Kochen nicht hart wird. Es dauerte ein paar Tage, bis ich darauf kam, weil ich mich in einer Sackgasse befand. Wenn ich schreibe, fordere ich mich oft selbst heraus. Ich schreibe etwas, von dem ich denke: „Oh, das ist unmöglich! Wie kann ich das lösen?“ Dann muss ich darüber schlafen. In diesem Fall hatte ich ein älteres deutsches Ehepaar beschrieben. Durch die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wird, merkt man, dass sie jeden Morgen die gleiche Morgenroutine haben. In welcher Reihenfolge und wann etwas passiert, ist sekundengenau durchgetaktet. Sie streiten sich immer darüber, wie lange es dauert, ein Ei zu kochen. Und dann passiert zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas völlig Unerwartetes. Der Mann ist ein Wissenschaftler und weiß genau, dass das Ei die perfekte Konsistenz haben müsste, wenn es siebeneinhalb Minuten lang kocht. Aber dann setzt er sich hin, um das Ei zu essen, und es ist noch weich und spritzt auf seine Krawatte. Das war der Cliffhanger. Und ich fragte mich: „Wow, warum ist das gekochte Ei nicht so, wie er es geplant hat?“ Er ist Wissenschaftler und weiß, dass das Ei perfekt sein müsste. Ich dachte, vielleicht hatte Frau etwas damit zu tun? Aber das ergab keinen Sinn. Warum hätte sie ausgerechnet an diesem Morgen etwas anders machen sollen? Am Ende kam ich darauf, dass es das Ei selbst war, das darüber entschieden hatte. Es weigerte sich, hart gekocht zu werden. Dann musste ich natürlich erklären, warum ein Ei ein Bewusstsein hat und solche Entscheidungen trifft.

Wer die Geschichte weiterliest, wird merken, dass dieses Wesen gezwungen wurde, in dem Reich zu bleiben, in dem wir uns alle befinden, bevor wir geboren werden, und in das wir zurückkehren, wenn wir sterben. Es möchte unbedingt ein Mensch werden, tut es aber aus irgendeinem Grund nicht. In der Kurzgeschichte gibt es eine Anspielung darauf, dass dieses Wesen etwas ungeduldig ist und sich über den Mann ärgert. Es beschließt, ihn zu bestrafen, indem es nicht hart wird. Das ist der Grund, warum es die Prüfung, ein Mensch zu werden, nicht besteht. Adas Raum, der Roman, gibt dieser Figur, diesem Wesen, viel mehr Raum und führt es durch verschiedene Inkarnationen.

Anna: Jon, bei der Übersetzung muss es herausfordernd gewesen sein, mit den verschiedenen Perspektiven und den unterschiedlichen Kontexten umzugehen. Was war deine Herangehensweise?

Jon: In dem Roman gibt es so viele verschiedene Perspektiven, Stimmen und Zeitebenen. Ehrlichgesagt hatte ich fast das Gefühl, dass die Stimmen der erzählenden Objekte sich vergleichsweise leicht wiedergeben ließen. Ich denke, dass sie trotz ihrer physischen Beschaffenheit und ihrer Einschränkungen – oder je nachdem, wie man es sehen möchte, trotz ihrer besonderen Fähigkeiten und Perspektiven – relativ konsistent bleiben. Diese Erzählstimmen haben immer den Überblick. Sie stehen in direktem Kontakt zu Gott. Sie wissen, was in Asamando passiert, diesem Ort, an dem die Menschen vor ihrer Geburt warten und an den sie nach ihrem Tod zurückkehren. Viel schwieriger waren die verschiedenen Adas und die verschiedenen Charaktere, denen sie begegnen, weil ihre Positionierungen so spezifisch sind, während dieses Wesen Zeit und Raum transzendiert. Es hat mir geholfen, viel zu lesen, vor allem Bücher, die in den verschiedenen Zeiträumen spielen, um zu versuchen, den Diskurs, die Stimmen und die Überschneidungen mithilfe von anderen literarischen Kontexten zu gestalten. Sharon hat beim Schreiben bestimmt auch enorm viel gelesen, um die verschiedenen literarischen Welten zu erschaffen. Im Grunde habe ich versucht, Sharon so genau wie möglich wiederzugeben. Aber natürlich gibt es Kleinigkeiten, bei denen ich als Übersetzer viel entscheiden kann – ob ich verkürze, ob bestimmte Figuren Slang, Dialekt oder Jargon verwenden, und inwiefern sich dies auf die Erzählstimmte, den Dialog oder die indirekte Rede auswirkt. Es war in vielerlei Hinsicht ein sehr unvollkommener Prozess. Aber im Großen und Ganzen bin ich mit dem Ergebnis zufrieden.

Sharon: Die Übersetzung ist großartig! Natürlich ist sie nicht perfekt, aber was ist perfekt? Ich möchte, dass du weißt, wie sehr ich deine Arbeit schätze, Jon. Ich sage zum Beispiel auf Deutsch: „Er war weder obdachlos noch kinderreich“. Und in der Übersetzung sagst du: “…he was neither without home nor with child”. Das ist eine hervorragende Lösung! Das erklärt, warum ich das Buch nicht selbst übersetzt habe. An dieser Stelle wäre ich stehengeblieben und hätte aufgegeben. Meiner Meinung nach ist das Übersetzen eine besondere Fähigkeit, die weit über die Fähigkeit, eine Sprache zu sprechen, hinausgeht.

Anna: Ich musste beim Lesen lachen, weil Gott Berliner Schnauze spricht. Kannst du uns erzählen, warum, Sharon? Und Jon, du hast in der Übersetzung einen Nordirischen Dialekt daraus gemacht. Vielleicht können wir im Anschluss darauf eingehen?

Sharon: Ich verwende eine ganze Reihe verschiedener Sprachen, etwas Polnisch, Portugiesisch, Französisch und ein paar Sprachen aus Ghana. Damit wollte ich verdeutlichen, dass es für viele Menschen alltägliche ist, mehrere Sprachen zu sprechen. Personen, die Polnisch und Deutsch sprechen, werden den Roman lesen, den polnischen Satz sehen und vielleicht eine besondere Verbindung zu diesem Teil der Geschichte haben. Ich wollte auch darauf hinweisen, dass wir dazu neigen, Sprache als etwas zu betrachten, das sehr eng begrenzt ist – das ist Englisch und das ist Deutsch, und die beiden dürfen sich nie vermischen.

Aber zu Hause mit meinen Kindern sprechen wir beide Sprachen und wir vermischen sie. Ich denke, das ist legitim, denn bei Sprache geht es um Kommunikation. Wenn wir versuchen, eine bestimmte Idee zu vermitteln, wenn wir etwas von unserem Tag erzählen, dann müssen wir manchmal das Wort „U-Bahn“ oder „Kita“ verwenden [während wir eigentlich Englisch sprechen], denn das ist das Wort, das zu unserem Alltag gehört. Ich wollte die Idee einbringen, dass Sprachen viel fließender sind, als die vorherrschende Gesellschaft uns glauben machen möchte. Im deutschsprachigen Original habe ich wirklich versucht, zu vermeiden, Sätze in einer anderen Sprache im Anschluss auf Deutsch erklären zu müssen. Das fühlte sich nicht natürlich an. Der Kontext sollte den Sätzen Bedeutung verleihen und dafür sorgen, dass Leser*innen alles verstehen, auch wenn sie nicht jedes einzelne Wort verstehen.

Ich weiß nicht, was genau der Unterschied zwischen einer Sprache und einem Dialekt ist, aber eine Sache ist mir klar geworden: Akzente und Dialekte haben etwas mit Klassenzuordnung und sozialem Status zu tun. Auf eine bestimmte Weise zu sprechen, gilt als intelligent, weniger gebildet oder als Zeichen dafür, nicht so viel Geld zu haben. Das machte mir Sorgen. Ich erinnere mich, dass mir geraten wurde, Gott nicht mit diesem Akzent sprechen zu lassen und am besten gar keinen Berliner Dialekt zu verwenden, wegen der negativen Konnotationen, die ich überhaupt nicht teile. Als ich Mitte der 90er Jahre mit diesem Dialekt in Kontakt kam, verband ich ihn ausschließlich mit Menschen, die ich liebte. Wirklich enge Freunde von mir sprachen so. Das war meine Verbindung zu diesem Dialekt. In Adas Raum verwende ich den Berliner Dialekt mit Liebe und Bewunderung. Ich war überrascht, dass andere Menschen eine ganz andere Verbindung zu diesem Dialekt haben.

Anna: Danke! Genau wie du sagst, kann ein Dialekt unterschiedlich interpretiert werden – um Klassenzugehörigkeit zu markieren, eine regionale Zugehörigkeit oder um Emotionen auszudrücken. Dialekt hat viele verschiedene Funktionen und die Übersetzung hängt von der Interpretation seiner Funktion ab. Jon, kannst du uns erzählen, wie du den Dialekt übersetzt hast?

Jon: Zunächst einmal sind wir als englische Muttersprachler*innen daran gewöhnt, viele verschiedene Formen des Englischen zu hören. Natürlich gibt es Assoziationen und Nuancen, und regional haben wir unterschiedliche Assoziationen mit unterschiedlichen Formen des Englischen. Aber es ist eine ziemlich verbreitete Vorstellung, dass es auf der Welt verschiedene Formen des Englischen gibt, die zumindest in ihrem spezifischen Kontext richtig und normal sind. Wir sind es gewohnt, Medien aus Nordamerika, Großbritannien und Irland zu konsumieren, und vielleicht auch aus Australien, Neuseeland, Indien und Südafrika.

Ich spreche keinen Dialekt. In den USA ist der kalifornische Akzent einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der definitive regionale Akzent, denn es ist die Sprache Hollywoods, das, was wir mit Fernsehen, Musik und Popkultur assoziieren. Mit dem New Yorker Akzent ist es bestimmt ähnlich, aber ich habe meine eigene starke Vorliebe für die Westküste. Ich kann keinen anderen regionalen Akzent, der nicht mein eigener ist, überzeugend wiedergeben. Wenn ich gefragt werde, was das englische Äquivalent dieses Dialekts wäre, fühle ich mich nicht in der Lage, darauf zu antworten. Dann spreche ich gerne mit Freund*innen, mit Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt, und fragen sie nach ihrer Perspektive auf bestimmte Dialekte oder Akzente. Ich habe keine Autorität, diesbezüglich zu sagen, was richtig oder falsch wäre. Als ich Adas Raum übersetzte, hatte ich zunächst keine Ahnung, was ich mit Gotts Dialekt machen sollte.

Ich habe die Stellen mit einer ungewohnten Schreibweise oder einer seltsamen Wortwahl markiert, aber das diente eher als Hinweis für mich selbst. Ich wusste, dass diese Passagen noch überarbeitet werden müssten, dabei hatte ich das Manuskript bereits mit einem Hinweis darauf ins Lektorat gegeben. Dann nahmen Sharon und ich beide an einer Hybridkonferenz an der University of Cambridge teil und wir hörten einen Vortrag von Dr. Aine McMurtry, die aus Nordirland kommt. Sie las einen kurzen Auszug aus dem Text, den sie für ihre Arbeit übersetzt hatte, und gab eine dieser Passagen auf Berlinerisch in diesem sehr starken nordirischen Dialekt wieder. Sie zeigte dazu sogar eine Folie, auf der man sehen konnte, wie sie den Text geschrieben hatte, um den Text wirklich als spezifisch zu markieren. Als Sharon und ich das hörten und sahen, was sie präsentierte, begannen unsere Augen zu leuchten.

Ich erinnere mich, dass ich unmittelbar nach der Konferenz mit Sharon darüber gesprochen habe, denn zumindest für mich erfüllte diese Variante viele Kriterien. Der Nordirische Dialekt verstärkte die Art der irisch-englischen Nebenhandlung im viktorianischen Umfeld des Romans. Ich denke, dass der Dialekt mit mir resonierte, weil er Assoziationen hervorrief, die mich an Fernsehnachrichten über den Nordirlandkonflikt aus meiner Kindheit erinnerten, aber auch mit den anhaltenden Fragen rund um Brexit zusammenhing. Zum Zeitpunkt der Übersetzung gab es die sogenannte nordirische Frage und wie der Brexit die Grenzen verstärken würden. In den Passagen im Roman, die im 21. Jahrhundert spielen, ging es um die Frage nach dem Brexit und was sich ändern würde. Das heißt der Nordirische Dialekt konnte auf viele verschiedene Arten interpretiert werden und es wirkte immer so, als ob er mit der Geschichte in Einklang stünde, auch wenn das ein Zufall war. Mir war klar, dass Gott nordirisch sprechen musste, aber ich war nicht in der Lage, diesen Dialekt wiederzugeben. Also schickte ich Aine eine E-Mail und fragte sie: „Ich kann alle Passagen zusammenstellen, in denen Gott spricht. Könntest du sie dann vielleicht für uns übersetzen?“ Zum Glück war sie begeistert von der Idee, stimmte zu, schickte uns die Übersetzungen innerhalb eines Tages zurück und wir arbeiteten sie dann in den Roman ein. Meiner Meinung nach ist das eine wunderbare Lösung. Und sie ist völlig zufällig entstanden.

Sharon: Dafür war ich Aine sehr dankbar. Es ist einfach genial!

[…]

Die Veranstaltung wurde vom Deutschen Übersetzerfonds gefördert.

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