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Der Namensvetter

Der Namensvetter ist der Debütroman der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Autorin Jhumpa Lahiri und erschien 2003 in der deutschen Übersetzung von Barbara Heller. Der Roman erzählt die Geschichte der Familie Ganguli: Ashoke und Ashima kommen aus Bengalen und wandern in den 1960er Jahren in den Nordosten der USA aus. Dort bekommen sie zwei Kinder, und der Roman folgt größtenteils den Lebensereignissen ihres erstgeborenen Sohnes Gogol, der der titelgebende Namensvetter ist. Es ist ein Roman über das Leben zwischen Orten, Kulturen und zugewiesenen Identitäten, über das stille Kommen und Gehen, das ein Leben ausmacht. Lahiri ist eine begnadete Schriftstellerin und besonders talentiert darin, aufzuzeigen, dass völlig banale Details und Zufälle bedeutsame Momente sein können.

Besonders die Szenen, die in Indien spielen, machen das Buch für mich so einnehmend: Das Kalkutta, in dem Ashima aufgewachsen ist; die detaillierte und liebevolle Darstellung ihres Künstlervaters, der eigentlich nur eine Randfigur ist; Ashokes Großvater, der ein Liebhaber russischer Literatur ist und seinem Enkel die Leidenschaft für Nikolai Gogol weitergibt, die dazu führt, dass er seinem Urenkel ebendiesen Namen gibt. Gleichzeitig erzählt Der Namensvetter mit viel Empathie von der Frustration der jüngeren Generation, Gogol und seiner Schwester Sonya, die in vielerlei Hinsicht sehr amerikanisch sind. Es geht um die Fremdheit, die sie in Indien spüren, wenn sie gezwungen werden, Verwandte in Indien zu besuchen.

Lahiri zeigt in ihrem Schreiben die wunderbare Fähigkeit, genau die Ereignisse heraufzubeschwören, die als perfekte Metapher für etwas Größeres funktionieren. Das beste Beispiel dafür ist Gogols Namensgebung. Auf Grund einer bengalischen Tradition sollte er einen Kosenamen bekommen, einen Namen, mit dem er von klein auf gerufen wird und der denjenigen vorbehalten ist, die ihm am nächsten stehen. Ein weiterer Name sollte für seine offizielle Existenz in der Welt dienen. Die Verantwortung für den offiziellen Namen sollte bei seiner Großmutter liegen, aber der Brief, den sie mit der Post schickt, geht irgendwo zwischen Indien und den USA verloren, und amerikanische Bürokrat:innen erweisen sich wiederholt als unfähig oder unwillig zu verstehen, dass der Junge zwei Namen haben sollte. So kommt es, dass Gogol offiziell Gogol genannt wird, ein Name, den er verabscheut und den seine Eltern nie ausgeschrieben sehen wollten. Auf diese Weise verdeutlicht Lahiri das Unübersetzbare und das, was zwischen den Welten verloren geht.

Es ist keine aufsehenerregende Geschichte, und die Leben, von denen sie erzählt, sind absolut unspektakulär. Diese Unaufgeregtheit und die Fähigkeit des Romans, Leser:innen das Seufzen und Flüstern einiger Lebensgeschichten, die zwar von lebensverändernder Migration geprägt, aber dennoch relativ normal sind, so eloquent nahezubringen, ist wohl das, was mir bei der Lektüre am aller besten gefallen hat. Der Namensvetter ist kein kurzatmiger, von Dramen geprägter Roman, im Gegenteil: Das Buch ist eine wunderbar langsame Reise, die mich zutiefst mit den Charakteren hat mitfühlen lassen.

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