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macht.sprache. hinter den Kulissen – über das Design, Barrierefreiheit und den Umgang mit diskriminierenden Begriffen

macht.sprache. hinter den Kulissen – über das Design, Barrierefreiheit und den Umgang mit diskriminierenden Begriffen

Bereits im Januar haben wir unser neues Projekt macht.sprache. angekündigt. Ziel des Projekts ist es, in drei Phasen ein Tool zu entwickeln, dass alle Menschen, die mit Deutsch und Englisch arbeiten, dabei unterstützt, politisch sensible Begriffe besser zu übersetzen. Jetzt gerade bereiten wir uns auf die erste Phase des Projekts vor, für die wir am 14. April den Startschuss geben. Dabei ist geplant, eine Web-App mit Übersetzungsbeispielen zu befüllen. Wir suchen gezielt nach Beispielen aus Büchern, Filmen, Theateruntertiteln, etc., die politisch sensible Begriffe beinhalten. Gemeinsam mit euch wollen wir ihre Übersetzungen diskutieren, Optionen abwägen und möglicherweise sogar Wörter neuschöpfen. Den Datensatz und die Ergebnisse der Diskussionen werden wir auswerten. Sie werden in der finalen Projektphase in ein Tool einfließen, das langfristig allen als freizugängliche Übersetzungshilfe dienen soll.

Seitdem wir das Projekt angekündigt haben, ist hinter den Kulissen schon viel passiert. Künstlerisch geleitet wird das Projekt von uns, den Herausgeberinnen von poco.lit. In wöchentlichen Treffen besprechen wir die technische Umsetzung im Detail mit Timur Celikel von völlig ohne und Kolja Lange. Timur Celikel blickt bereits auf viele Jahre Berufserfahrung im Bereich der Konzeptionierung von UX, Erstellung von User Interfaces und Websites sowie der Front-End-Softwareentwicklung zurück. Er hat völlig ohne mitgegründet und in den letzten Jahren viele innovative und interaktive Web-Projekte umgesetzt. Kolja Lange arbeitet als Full-Stack-Entwickler. Seine Verantwortlichkeiten liegen auf der Serverinfrastruktur, die Server / Client Kommunikation aufzubauen und Build Tools einzurichten. Bei macht.sprache. ergänzen sich Timur Celikel und Kolja Lange gegenseitig. 

Heute geben wir euch ein paar Einblicke in unsere Entscheidungsprozesse in Bezug auf das Design von macht.sprache., die Barrierefreiheit und den Umgang mit diskriminierenden Begriffen. Vor allem letzteres ist ein Kernthema in einem Projekt, dass sich für einen sensiblen Umgang mit Sprache einsetzt.

Ästhetik und Barrierefreiheit

Das Logo und das Grafikdesign von macht.sprache. entstand in Anlehnung an poco.lit., um die Zusammengehörigkeit visuell zu verdeutlichen. Wir benutzen zwei Farben, Salbeigrün und Flieder, die symbolisch für unsere beiden Arbeitssprachen Englisch und Deutsch stehen. Im Logo werden die beiden Farben spielerisch miteinander verwoben.

Diese Farbsymbolik greifen wir in der App wieder auf: In der Liste in der wir die Begriffe sammeln, die wir diskutieren wollen, sind deutsche Begriffe immer mit der Farbe Flieder hinterlegt, die Englischen mit Salbeigrün.

Neben der Ästhetik gibt es noch so einiges zu bedenken. Wir möchten die Web-App möglichst barrierefrei gestalten und verlassen uns deshalb auf technische Best Practices, die helfen, ein Mindestmaß an Barrierefreiheit zu erzielen. Dazu verwenden wir semantisches HTML, d.h. korrekte Benutzung von Formular- und Artikel-Elementen sowie Überschriften, Buttons, Links und vielen Anderen – das hilft z.B. Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen, die Screenreader benutzen. Alle Formular-Elemente haben stets eine aussagekräftige Beschriftung, Infografiken haben eine Text-Version, bei Bildern gibt es einen Alternativtext, welcher von Screenreadern vorgelesen wird. Da wir immer mit zwei Sprachen arbeiten, ist es wichtig, dass der Screenreader die Begriffe jeweils in der korrekten Sprache vorliest. Dafür gibt es sogenannte “lang”-Attribute für alle Begriffe und Texte in der jeweiligen Sprache. Als visuelle Unterstützung nutzen wir sichtbare Focus States, d.h. damit Nutzer:innen sehen können, in welchem Textfeld sie gerade schreiben, wird dieses farblich hervorgehoben. Das gleiche gilt für Buttons und Links. Sicherlich gibt es weiter Maßnahmen, um die Barrierefreiheit zu erhöhen. Über entsprechende Hinweise freuen wir uns sehr.

Nutzer:innenprofile und DSGVO

Nachdem nun die Weichen für eine möglichst barrierefreie Teilnahme an den Diskussionen gestellt sind, können sich Interessierte auf macht.sprache. anmelden. Dazu wählt ihr einen user name oder auf Deutsch einen Nutzer:innennamen. Gerade wenn es um sensible Sprache geht, sollte auch in der Umsetzung der Web-App auf sprachliche Details geachtet werden. Die Tatsache, dass die deutsche Sprache allen Substantiven ein Geschlecht zuschreibt, stellt dabei nur eine der vielen Herausforderungen dar. Teil des Projekts ist es also, dass wir uns schon für die technische Umsetzung selbst weiterbilden. Dazu lesen wir Bücher, von denen uns einige von Verlagen zur Verfügung gestellt werden, wie etwa Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht? Ein Praxis Handbuch zu Gender und Sprache von Lann Hornscheidt und Ja’n Sammla (w_orten & meer Verlag). Für macht.sprache. entschieden wir uns letztendlich nach einiger Diskussion für das gendern mit Doppelpunkt, da diese Variante am besten von einem Screenreader vorgelesen werden kann.

Alle Übersetzungen, Beispiele und Kommentare werden öffentlich und ohne Nutzer:innenprofil einsehbar sein. Für die aktive Teilnahme werden wir Nutzer:innenprofile voraussetzen, damit wir aktiv moderieren können und macht.sprache. ein möglichst geschützter Raum bleibt (dazu mehr in unserem nächsten “hinter den Kulissen Beitrag”). Dafür werden wir der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) folgen und nur die Daten abfragen, die wir für ein Profil wirklich benötigen: Eine E-Mail-Adresse und einen (ausgedachten) Nutzer:innennamen. Die Mail-Adresse ist nicht öffentlich und dient nur der Verifikation des Accounts sowie eventuell später für Benachrichtigungen, die in dern Begrifflichkeiten der DSGVO “transaktionale” Mails heißen. Eine Newsletter-Anmeldung wird optional angeboten, selbstverständlich als Opt-In.
Den Nutzer:innen ist freigestellt, ob sie unter Pseudonym oder unter echtem Namen auftreten wollen, ob und falls ja mit welcher Identität sie erkannt werden. Optional können im Nutzer:innenprofil öffentliche Kontaktmöglichkeiten wie etwa ein Twitter-Handle angegeben werden.

Umgang mit sensiblen Begriffen

Angemeldete Nutzer:innen können macht.sprache. auf Englisch oder auf Deutsch verwenden, auf beiden Sprachen diskutieren und eigene Übersetzungsbeispiele, sowie eine Bewertung der Übersetzung abegeben (mehr dazu im nächsten “hinter den Kulissen” Beitrag). Eine grundlegende Herausforderung unserers Projekts und seiner technischen Umsetzung ist der Umgang mit den sensiblen Begriffen, die wir diskutieren wollen. Es ist unser erklärtes Ziel, diskriminierende Inhalte zu diskutieren, um nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Aber müssen wir dazu diese Begriffe zu erklärungszwecken sichtbar ausschreiben? Wie schaffen wir einen Schutz für Nutzer:innen, die direkt von einigen Begriffen verletzt werden können? Gerade bei Begriffen wie dem N-Wort stünde es für uns normalerweise überhaupt nicht zur Diskussion, das Wort auszuschreiben, die Antwort wäre schlichtweg “nein”. Ist es mit dem M-Wort und dem I-Wort anders? Wo ziehen wir eine Linie? Wir möchten Zitate aus Büchern, Filmen und Theatertexten diskutieren, wollen wir diese von Anfang an mit Sichtbarrieren versehen? Was ist, wenn es um einen historischen Kontext geht und ein Begriff, der heute klar als verletzend gilt, damals trotzdem noch selbstverständlich verwendet wurde? Geben Nutzer:innen selbst an, ob ein Begriff eine Sichtbarriere bekommt? Wie viel Vorwissen können und wollen wir von Nutzer:innen verlangen?

In unseren wöchentlichen Meetings haben wir bereits mehrfach diese und viele weitere Fragen von allen Seiten beleuchtet. Einig werden konnten wir uns in so fern, dass wir gerne Barrieren für die Teilnahme an den Diskussionen auch in Bezug auf Vor- oder Fachwissen gering halten möchten und dass wir mit Offenheit und weniger mit vorgefertigten Vorstellungen des Ergebnisses an die Diskussionen herangehen möchten. Letztendlich soll das Projekt dazu dienen, dass wir anhand von existierenden Beispielen und den ausführlichen Diskussionen klare Kriterien formulieren können, wann welche Begriffe verwendet werden sollten und wann nicht, d.h. wir können das Ergebins nicht schon einfach vorgeben. In der technischen Umsetzung bedeuten unsere bisherigen Schlussfolgerungen, dass wir zunächst selbst eine Liste mit Wörtern anlegen, die nicht vollständig ausgeschrieben werden, die also automatisch teilweise verdeckt werden (z.B. N**** oder Z******r). Angemeldete Nutzer:innen können diese Funktion dann für sich selbst ausschalten, wenn sie sich unsicher sind, was genau das verdeckte Wort heißen soll – sie wissen dann bereits, dass es ein diskriminierneder Begriff ist. Zusätzlich arbeiten wir an einer weiteren Option, die Nutzer:innen erlaubt, die Liste an nicht auszuschreibenden Wörtern zu ergänzen.

Wir teilen bis zur Online-Auftaktveranstaltung am Mittwoch den 14. April noch weitere Hintergründe über den Entstehungsprozess. Wir freuen uns über euer Feedback und den baldigen Austausch auf macht.sprache.

Dieses Projekt ist vom Berliner Senat gefördert.

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