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Minarett

Vor Jahren las ich Minarett von Leila Aboulela auf Englisch, jetzt ist es kürzlich in der deutschen Übersetzung von Irma Wehrli erschienen und es war eine große Freude, noch einmal in die Geschichte von Nadschwa einzutauchen. Nadschwa, die Protagonistin des Romans, zieht – ähnlich wie die Autorin selbst – aus dem Sudan nach Großbritannien. Allerdings muss Nadschwa in Folge eines Militärputsches im Sudan im Jahr 1985 fliehen. Minarett erzählt anhand von Nadschwas Familiengeschichte von drastischem sozialen Abstieg und dem Halt, den Religion geben kann.

Im Sudan gehörte die Familie zur Oberschicht, hatte zahlreiche Hausangestellte und während der Vater scheinbar zwielichtige Geschäfte machte, engagierte die Mutter sich für Waisenkinder und verteilte ausrangierte Kleidung. Dem Vater, der für die Regierung arbeitete, wird Korruption vorgeworfen. Er wird erhängt. Nadschwa, ihrem Zwillingsbruder und ihrer Mutter bricht der Boden unter den Füßen weg. Sie fliehen in ihre Ferienwohnung nach London, doch nach weiteren tragischen Ereignissen ist Nadschwa völlig auf sich allein gestellt. Als Kindermädchen bei reichen Familien schlägt sie sich durch.

Im Buch wechseln sich Rückblicke mit der Gegenwart ab. Am Anfang wirkt es überraschend, dass die Minirock tragende, reiche, junge Sudanesin in London plötzlich Hidschab trägt, regelmäßig in die Moschee geht und alle Regeln der Unterwürfigkeit als Dienstmädchen verstanden hat. Im Verlauf des Buches eröffnet sich Schritt für Schritt der Prozess, der Nadschwa zu ihrem neuen Selbst führt. Es wird deutlich, wie sie langsam ihre Verluste – menschliche und den Status betreffend – verarbeitet. Die Protagonistin durchlebt Reue und schöpft neue Hoffnung, dabei wirkt sie durchweg unfassbar naiv. Aboulela entwirft einen Charakter, mit dem ich zwar mitfühlen kann, aber deren Entscheidungen und Verhalten immer wieder mal konträr zu meiner eigenen Weltanschauung zu sein scheinen: Das Buch hat sehr wenig mit westlichen feministischen Ideen zu tun. Die Stärke des Buches sehe ich darin, dass es Konzepte von Modernität und Tradition hinterfragt und den Blick öffnet für die Gründe, sich für bestimmte Lebensweisen zu entscheiden. Im Zentrum steht die Suche nach richtungsweisenden Werten.

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